Einführung zum Koalitionsvertrag und vergaberechtlichen Vorhaben
SPD und CDU/CSU haben kürzlich ihren gemeinsamen Koalitionsvertrag veröffentlicht und darin umfangreiche Änderungen im Vergabe- und Beschaffungswesen angekündigt. Im Fokus stehen insbesondere eine schnellere Umsetzung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen, ein erheblicher Bürokratieabbau sowie strategische und digitale Optimierungen im Vergaberecht.
Dieser Artikel fasst die relevanten Maßnahmen im Vergaberecht zusammen und erläutert die Auswirkungen auf öffentliche Auftraggeber und Unternehmen.
Beschleunigung und Vereinfachung von Infrastrukturmaßnahmen
Ein zentrales Ziel der Koalition ist die zügige Umsetzung von Investitionen, die über das Sondervermögen „Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen“ finanziert werden. Hierfür plant die Bundesregierung ein Infrastruktur-Zukunftsgesetz einzuführen, das folgende zentrale Aspekte adressiert:
- Ausschöpfung bestehender Beschleunigungsmöglichkeiten von Planung, Genehmigung und Vergabe
- Priorisierung von Vorhaben durch Einstufung als Projekte des überragenden öffentlichen Interesses (ähnlich bestehenden Regelungen im Beschleunigungsgesetz)
- Orientierung an europäischen Sonderregelungen zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien (Notfallverordnung)
Darüber hinaus wird geprüft, ob auch andere Infrastrukturprojekte außerhalb des Sondervermögens den Status eines überragenden öffentlichen Interesses erhalten können.
Mittelstandsfreundlichkeit und Anhebung der Wertgrenzen
Um das Vergaberecht insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups zugänglicher zu gestalten, sieht die Koalition folgende Maßnahmen vor:
- Erhöhung der Wertgrenze für Direktvergaben auf Bundesebene bei Liefer- und Dienstleistungen auf 50.000 Euro
- Für Start-ups mit innovativen Leistungen sollen in den ersten vier Jahren nach Gründung Direktvergaben bis zu 100.000 Euro möglich sein
Zudem setzt sich die Koalition auf europäischer Ebene für eine moderate Erhöhung der Schwellenwerte und eine eigenständige Betrachtung von Planungsleistungen ein.
Strategisches Beschaffungsmanagement und Digitalisierung
Ein bedeutender Schritt zur Steigerung der Effizienz und strategischen Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung ist die geplante umfassende Digitalisierung sowie die Einführung zentraler Einkaufs- und Beschaffungsplattformen:
- Ausbau des bestehenden „Kaufhauses des Bundes“ zu einem erweiterten digitalen Marktplatz für Bund, Länder und Kommunen
- Stärkere Nutzung von Rahmenverträgen und zentralen Einkaufsplattformen zur Bündelung von Bestellungen
- Konzentration des IT-Einkaufs beim Bund, einschließlich Maßnahmen gegen monopolartige Anbieterstrukturen
- Vereinfachung und Digitalisierung von Eignungsnachweisen, u.a. durch geprüfte Systeme oder Eigenerklärungen
Zusätzlich plant die Bundesregierung im Zuge der Registermodernisierung die Einführung des „Once-Only“-Prinzips, wonach Daten nur einmalig an staatliche Stellen gemeldet werden müssen. Dies soll insbesondere bei Vergabeprozessen bürokratische Hürden deutlich reduzieren.
Einführung des Bundestariftreuegesetzes
Vom Koalitionsvertrag vorgesehen ist ferner ein neues Bundestariftreuegesetz, um Tarifbindung im Bereich öffentlicher Vergaben zu stärken. Dabei gelten folgende Eckpunkte:
- Geltungsbereich ab 50.000 Euro Auftragswert
- Start-ups mit innovativen Leistungen: ab 100.000 Euro
- Minimierung von Bürokratie-, Nachweispflichten und Kontrollmaßnahmen für mittelständische Unternehmen
Sektorspezifische Ausnahmen und militärische Beschaffung
Es sind konkrete sektorspezifische Ausnahmen vom Vergaberecht vorgesehen:
- Nationale Sicherheitsinteressen
- Leitmärkte für emissionsarme Produkte (insbesondere Grundstoffindustrie)
- Besonderer Fokus auf die Deutsche Bahn als Pionierbereich
Für die Beschaffung der Bundeswehr sieht die Koalition sowohl ein „Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz“ als auch ein eigenes „Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz“ vor. Diese sollen rechtliche Ausnahmen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht schaffen sowie Eigenvollzugsrechte der Bundeswehr stärken. Ziel ist eine schnellere und effizientere Durchführung militärischer Projekte, die künftig als Maßnahmen überragenden öffentlichen Interesses priorisiert behandelt werden.
Auswirkungen und nächste Schritte
Insgesamt versprechen die im Koalitionsvertrag festgelegten Änderungen eine erhebliche Reduzierung bürokratischer Hürden, schnellere Verfahren und eine strategische, effizienzorientierte Neuausrichtung der gesamten öffentlichen Beschaffung:
Folgende gesetzliche Regelwerke dürften dabei insbesondere betroffen sein und somit potenzielle Anpassungen erfahren:
- GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen)
- VgV (Vergabeverordnung)
- UVgO (Unterschwellenvergabeordnung)
- VOB/A (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen)
In den kommenden Wochen entscheidet die Parteibasis der jeweiligen Parteien über den Koalitionsvertrag. Nach erfolgter Zustimmung beginnt die konkretere Umsetzung der vergaberechtlichen Vorhaben der Bundesregierung.
Zusammenfassend stellen diese geplanten Neuerungen einen bedeutenden Wandel im öffentlichen Beschaffungswesen dar, der sowohl von Auftraggebern wie auch von Auftragnehmern eng beobachtet und bei der Vorbereitung auf künftige Vergabeverfahren berücksichtigt werden sollte.