Hintergrund: Zielsetzung der Enquete-Kommission im Vergaberecht
Im Rahmen der Sitzung am 13.03.2025 hat die Enquete-Kommission „Bürokratieabbau“ Empfehlungen zum Themenkomplex „Bürokratieabbau bei Wohnbau-, Infrastruktur- sowie großen Investitionsvorhaben“ beschlossen. Ein wichtiges Ziel der Kommission war hierbei insbesondere, komplizierte Strukturen im Vergaberecht zu vereinfachen und bestehende Verfahren effizienter und praxisnah zu gestalten.
Dieser Artikel erläutert speziell die Handlungsempfehlungen Nummer 1 der Kommission, die besonders auf eine Vereinfachung des Vergaberechts abzielt und damit einen wesentlichen Beitrag zu schlankeren Planungs- und Beschaffungsverfahren leisten könnte.
Handlungsempfehlung Nr. 1: Vereinfachung des Vergaberechts
Die Kommission hat explizit begrüßt, dass die Staatsregierung bereits zahlreiche Modifizierungen im Vergaberecht vorgenommen hat. Dennoch sieht sie weiteren Bedarf an Vereinfachungen. Konkret nennt der Bericht:
- Verstärkte Ermöglichung gewerkeweiser oder ganzheitlicher Vorgaben.
- Flexibilisierung bei der Addierung von Planungsleistungen.
- Konsequente Nutzung jener Umsetzungsspielräume, die durch europäische und bundesrechtliche Rahmenbedingungen möglich sind.
Diese Empfehlungen implizieren praktische Änderungen bei Vergabeverfahren, welche es öffentlichen Auftraggebern erleichtern könnten, rasch bedarfsgerechte sowie wirtschaftlich sinnvolle Bau- und Infrastrukturmaßnahmen umzusetzen.
Erläuterung der empfohlenen Maßnahmen
Gewerkeweise oder ganzheitliche Vorgaben
Die Empfehlung, gewerkeweise oder ganzheitlich vorgehen zu können, könnte Auftraggebern eine größere Flexibilität einräumen. In der Praxis bedeutet dies, dass öffentliche Auftraggeber künftig besser entscheiden könnten, ob Vergaben sinnvollerweise integral oder stark spezialisiert auf einzelne Gewerke zugeschnitten ausgeschrieben werden. Der Grundgedanke hierbei liegt darin, den Verwaltungsaufwand zu minimieren und Kostensynergien besser zu nutzen.
Dieser Spielraum kann sich insbesondere durch Vorgehen nach der VOB/A oder der VgV realisieren lassen, welche jeweils unterschiedliche Möglichkeiten für Gesamt- oder Teilvergaben bieten.
Flexibilisierung bei der Addierung von Planungsleistungen
Bisher ergeben sich häufig Schwierigkeiten dadurch, dass Planungsleistungen von mehreren Planern erbracht oder in kleinen, einzeln ausgeschriebenen Teilstücken vergeben werden mussten. Die vorgeschlagene Flexibilisierung kann helfen, Leistungen zu bündeln und effizienter zu gestalten. Dies ermöglicht unter anderem die Anwendung von Erleichterungen nach § 3 der VgV, insbesondere indem Ausschreibungen praxisnah gestaltet werden und mehr Gestaltungsspielraum bei komplexen Planungsleistungen ermöglicht.
Nutzung rechtlicher Umsetzungsspielräume
Die europa- und bundesrechtlichen Grundlagen des Vergaberechts lassen den Ländern gewisse Spielräume zur konkreten inhaltlichen und organisatorischen Ausgestaltung ihrer Vergabepraxis. Die Kommission empfiehlt ausdrücklich, diese Spielräume systematisch zu identifizieren und auszunutzen. Wichtige Rechtsgrundlagen hierfür finden sich in der UVgO, VgV und dem GWB.
Mögliche Auswirkungen und Praxisrelevanz
Die vorgeschlagenen Maßnahmen der Enquete-Kommission könnten folgende Vorteile für öffentliche Auftraggeber und Bieter bieten:
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Reduzierter Verwaltungsaufwand: Vereinfachte Verfahren könnten behördliche Ressourcen schonen und Vergabeprozesse beschleunigen.
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Verbesserte Praktikabilität: Durch Flexibilisierung können Planungsbüros und Bauunternehmen besser auf Ausschreibungen reagieren, insbesondere wenn Kosteneinsparungen oder Synergieeffekte bei größeren gewerkeübergreifenden Maßnahmen angestrebt werden.
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Rechtsklarheit und Handlungssicherheit: Klare Vorgaben zur Nutzung europäischer und nationaler Spielräume könnten die Rechtssicherheit in Vergabeverfahren erhöhen und für geringere rechtliche Auseinandersetzungen sorgen.
Ausblick und weitere Entwicklungen
Eine erfolgreiche Vereinfachung setzt voraus, dass durch Umsetzungsschritte der politischen Entscheidungsträger eine praxisorientierte Anpassung des rechtlichen Rahmens erfolgt. Insbesondere müssten sich Anpassungen in den Verordnungstexten wie der VOB/A oder der VgV widerspiegeln.
Für Auftraggeber empfiehlt es sich, die anstehenden Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und gegebenenfalls frühzeitig entsprechende interne Handlungsanweisungen und Schulungen der Mitarbeiter zu organisieren. So können Behörden und Unternehmen gleichermaßen von den geplanten Vereinfachungen profitieren und proaktiv auf Änderungen reagieren.
Fazit
Die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission bieten ein bedeutendes Potenzial, vergaberechtliche Verfahren klarer, schneller und effektiver zu gestalten. Durch größere Flexibilität bei gewerkeweisen oder ganzheitlichen Ausschreibungen, bei der Vergabe von Planungsleistungen sowie Nutzung bestehender rechtlicher Freiräume könnten erhebliche Bürokratieerleichterungen entstehen, von denen Auftraggeber, Bieter und die öffentlichen Haushalte gleichermaßen profitieren.