Verhandlungsvergabe

Einführung

Das Verfahren der Verhandlungsvergabe stellt im deutschen Vergaberecht eine Ausnahme von den Grundsätzen des offenen Wettbewerbs dar und zielt darauf ab, den öffentlichen Auftraggebern unter bestimmten Umständen mehr Handlungsspielraum zu ermöglichen. Die Verhandlungsvergabe erlaubt gezielte Verhandlungen mit einem oder mehreren Unternehmen und dient insbesondere dazu, komplexe oder dringliche Auftragsvergaben effizient und zielgerichtet umzusetzen. Damit bewegen sich öffentliche Auftraggeber jedoch stets im Spannungsfeld zwischen Flexibilität auf der einen und der Einhaltung der Transparenz- und Wettbewerbsanforderungen auf der anderen Seite.

Abgrenzung und Einordnung der Verhandlungsvergabe

Die Verhandlungsvergabe ist generell als Ausnahmeverfahren vorgesehen und steht gleichrangig neben dem wettbewerblichen Dialog, der öffentlichen Ausschreibung und der beschränkten Ausschreibung. Im Unterschied zu den klassischen Verfahren wird hierbei dem Auftraggeber deutlich mehr Handlungsspielraum eingeräumt, insbesondere im Hinblick auf Kommunikation und Verhandlungen mit potenziellen Auftragnehmern.

Die Verhandlungsvergabe ist für Auftragsvergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte in der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) geregelt und entspricht dort insbesondere § 8 UVgO (§8 UVgO). Bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte ist sie eine besondere Form gemäß den Vorschriften der Vergabeverordnung (VgV), vorrangig § 14 VgV (§14 VgV). Zusätzlich ergeben sich aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) allgemeine Grundprinzipien und Anforderungen, insbesondere aus § 97 GWB (§97 GWB).

Voraussetzungen und Anwendungsbereiche

Unterhalb der EU-Schwellenwerte

Die Verhandlungsvergabe nach der UVgO ist gemäß § 8 UVgO (§8 UVgO) zulässig, wenn:

  • bestimmte Umstände, z.B. besondere Dringlichkeit, technische Besonderheiten oder geringe Auftragssummen vorliegen,
  • kein angemessenes Ergebnis bei einer vorangegangenen öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung erzielt wurde,
  • die Leistung nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann (Monopolstellung),
  • erheblich schwankende Preise das Verfahren erschweren.

Oberhalb der EU-Schwellenwerte

Bei europaweiten Vergaben sieht § 14 Abs. 3 VgV (§14 VgV) spezifischere Voraussetzungen für eine Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vor:

  • Wenn offene oder nichtoffene Verfahren keine geeigneten Angebote hervorgebracht haben,
  • außergewöhnliche Umstände oder technische bzw. rechtliche Besonderheiten es unmöglich machen, ein anderes Verfahren durchzuführen,
  • die Leistung aus Gründen des geistigen Eigentums nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden kann,
  • dringliche, unvorhersehbare Gründe bestehen, die der Auftraggeber nicht selbst verursacht hat.

Es besteht stets die Notwendigkeit, genau zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wahl der Verhandlungsvergabe erfüllt sind, um ein Verstoßrisiko gegen das Vergaberecht zu vermeiden.

Grundprinzipien des Vergaberechts bei der Verhandlungsvergabe

Trotz ihrer Sonderstellung müssen öffentliche Auftraggeber bei der Verhandlungsvergabe die allgemeinen Grundprinzipien des Vergaberechts beachten. Diese umfassen:

  • Transparenzprinzip: Eine ausreichende Dokumentation des Verfahrens und objektiv nachvollziehbare Entscheidungen (§ 97 Abs. 1 GWB (§97 GWB)).
  • Wettbewerbsprinzip: Trotz eingeschränkter Konkurrenz darf der Wettbewerb nicht unzulässig eingeschränkt werden.
  • Gleichbehandlungsgrundsatz: Alle Bieter müssen fair behandelt werden; Informationen und Verhandlungen müssen transparent und diskriminierungsfrei erfolgen (§ 97 Abs. 2 GWB (§97 GWB)).
  • Wirtschaftlichkeitsgrundsatz: Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bei der Auftragsvergabe muss gewährleistet werden.

Ablauf einer Verhandlungsvergabe

Der grundlegende Ablauf eines Verhandlungsverfahrens umfasst dabei in der Regel folgende Schritte:

  1. Bedarfsermittlung und Wahl des Vergabeverfahrens: Prüfung der Voraussetzungen für eine Verhandlungsvergabe.
  2. Teilnahmewettbewerb (optional bei EU-weitem Verfahren mit Teilnahmewettbewerb): Veröffentlichung einer Bekanntmachung, sorgfältige Prüfung der Bewerbungen und Auswahl geeigneter Bieter.
  3. Aufforderung zur Angebotsabgabe: Der Auftraggeber fordert ausgewählte Unternehmen zur Angebotslegung auf.
  4. Verhandlungsphase: Der Auftraggeber führt individuelle Verhandlungen über technische, kaufmännische und vertragliche Konditionen.
  5. Letzte Angebotsabgabe (finale Angebote): Nach erfolgten Verhandlungen fordert der Auftraggeber, soweit erforderlich, überarbeitete Angebote an.
  6. Auswertung und Zuschlagserteilung: Der Zuschlag erfolgt nach Prüfung der finalen Angebote anhand vorher festgelegter, transparenter Kriterien.
  7. Dokumentation: Der gesamte Beschaffungsprozess wird umfassend dokumentiert, um Transparenz und Nachprüfbarkeit sicherzustellen.

Während der Verhandlungsphase sollten Auftraggeber darauf achten, stets objektiv zu verhandeln, da sonst der Grundsatz der Gleichbehandlung gefährdet ist.

Mögliche Risiken der Verhandlungsvergabe

Die Flexibilität der Verhandlungsvergabe birgt zugleich Risiken, insbesondere:

  • Mangelnde Transparenz und damit verbundenes erhöhtes Anfechtungsrisiko durch unterlegene Unternehmen,
  • Gefährdung der Wettbewerbsneutralität durch intransparente Verhandlungen,
  • Fehlerhafte Dokumentation des Vergabeprozesses, welche die Rechtssicherheit beeinträchtigt.

Daher ist es entscheidend, dass öffentliche Auftraggeber die gesetzlichen Vorgaben stets penibel beachten und ausreichende Dokumentationen der einzelnen Schritte vornehmen.

Fazit und Empfehlungen

Die Verhandlungsvergabe im Vergaberecht schafft wichtige Handlungsräume, stellt öffentlichen Auftraggeber jedoch vor Herausforderungen im Hinblick auf Transparenz und Rechtskonformität. Sie sollte daher stets sorgsam gewählt und durchgeführt werden. Insbesondere die Dokumentation der Entscheidungs- und Verhandlungsprozesse trägt entscheidend zur Vermeidung nachträglicher Anfechtung bei. Letztendlich stellt das Instrument jedoch ein wertvolles Mittel dar, um unter besonderen Umständen schnell und passgenau Leistungen zu beschaffen und Herausforderungen bei komplexen Vorhaben effektiv zu meistern.

Zusammenfassend ist die Verhandlungsvergabe als Ausnahmeregelung im deutschen Vergaberecht fest verankert, erfordert jedoch stets ein hohes Maß an Fachkenntnis und Sorgfalt, um den rechtlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.