In-House-Vergabe

Einführung

Die sogenannte In-House-Vergabe stellt eine wichtige Ausnahme im deutschen Vergaberecht dar, bei welcher öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit haben, bestimmte Leistungen an hauseigene oder verbundene Unternehmen ohne die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens zu vergeben. Diese spezielle Vergabeform ist insbesondere geprägt durch die Tatsache, dass trotz der bestehenden Wettbewerbspflichten öffentliche Stellen von einer europaweiten Ausschreibung unter bestimmten Bedingungen absehen dürfen. In diesem Artikel werden die Voraussetzungen, rechtlichen Grundlagen und Besonderheiten der In-House-Vergabe systematisch dargestellt und erläutert.

Definition und Einordnung der In-House-Vergabe

Die In-House-Vergabe („Auftragsvergabe im eigenen Haus“) bezeichnet die Vergabe öffentlicher Aufträge an eine organisatorisch integrierte Einheit, also an ein rechtlich eigenständiges Unternehmen oder eine Organisationseinheit, die dennoch vom Auftraggeber kontrolliert und gesteuert wird. Bei einer solchen Vergabe handelt es sich vergaberechtlich gesehen nicht um einen klassischen Auftrag, sondern um eine interne Verwaltungsmaßnahme, weshalb einschlägige Vorschriften des Vergaberechts teilweise unberührt bleiben.

Im Gegensatz zur klassischen Vergabe (§§ 97 ff. GWB), bei der öffentliche Aufträge grundsätzlich im Wettbewerb vergeben werden müssen, stellt die In-House-Vergabe eine praxisrelevante Ausnahme zum Wettbewerb dar.

Rechtliche Grundlage und Voraussetzungen der In-House-Vergabe

Die Grundlagen der In-House-Vergabe finden sich im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), insbesondere in § 108 GWB. Gemäß § 108 GWB können öffentliche Auftraggeber ohne ein förmliches Vergabeverfahren Aufträge an rechtlich eigenständige juristische Personen (z.B. GmbH, kommunale Eigenbetriebe oder Zweckverbände) vergeben, die sie selbst beherrschen („vertikale Kooperation“), sofern die nachfolgenden Bedingungen erfüllt sind:

Wesentliche Voraussetzungen gemäß § 108 GWB

  • Kontrollkriterium („ähnliche Kontrolle wie eigene Dienststelle“): Der Auftraggeber muss gegenüber der betreffenden juristischen Person eine Kontrolle ausüben, welche derjenigen entspricht, die er gegenüber seinen eigenen Dienststellen wahrnimmt. Diese Kontrolle umfasst etwa Entscheidungsbefugnisse wie Bestellung von Leitungspersonal oder signifikante Einflussnahme auf strategische Entscheidungen.

  • Tätigkeitskriterium („Haupttätigkeit für den Auftraggeber“): Die juristische Person, an die vergeben wird, muss mindestens 80 % ihres Umsatzes im Rahmen von Tätigkeiten erzielen, die ihr übertragen wurden und die sie für den Auftraggeber ausführt (§ 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Damit soll verhindert werden, dass das Unternehmen hauptsächlich Aktivitäten am Markt vollzieht.

  • Fehlen von privaten Beteiligungen: Private Anteilseigner dürfen grundsätzlich nicht an der kontrollierten Einheit beteiligt sein, außer wenn rein kapitalmäßige, nicht entscheidungsbefugte Beteiligungen vorliegen, die keinerlei Kontrollrechte vermitteln (vgl. § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB).

Rechtsprechung und Auslegung der Kriterien durch den EuGH

Die Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat erheblich zur Klarheit und weiteren Ausprägung der Kriterien einer In-House-Vergabe beigetragen. Maßgeblich war insbesondere das sog. "Teckal-Urteil" aus dem Jahr 1999 (EuGH, Urteil vom 18. November 1999, Rs. C-107/98, „Teckal“). In diesem Urteil wurden erstmals die Grundprinzipien formuliert, die später Eingang in § 108 GWB fanden. Diese Prinzipien wurden durch weitere Urteile konkretisiert und fortentwickelt, darunter etwa:

  • EuGH, Urteil vom 11. Mai 2006, Rs. C-340/04 „Carbotermo“
  • EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2005, Rs. C-458/03 „Parking Brixen"
  • EuGH, Urteil vom 8. Mai 2014, Rs. C-15/13 „Datenlotsen“

Im Kontext diesen Entscheidungen verdeutlichte der EuGH nochmals, dass für das Vorliegen einer zulässigen In-House-Vergabe sowohl strenge Anforderungen an Kontrollmerkmale als auch an den Umsatzanteil der internen Leistungen zu stellen sind.

Anwendungsbereiche der In-House-Vergabe

Die In-House-Vergabe ist gerade für kommunale Gebietskörperschaften und öffentliche Verwaltungen relevant, beispielsweise für folgende Dienstleistungen und Branchen:

  • Abfallwirtschaft und Entsorgung
  • Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
  • Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)
  • Energieversorgung (kommunale Stadtwerke)
  • IT-Dienstleistungen und Datacenter-Betrieb für Behörden

Im kommunalen Sektor greifen viele Gebietskörperschaften auf eigene Gesellschaften (z.B. kommunale GmbHs oder Eigenbetriebe) zurück, die etwa gewisse Dienstleistungen exklusiv und ohne Marktbeteiligung für die Kommune durchführen.

Verhältnis zur UVgO, VgV und VOB/A

Die In-House-Vergabe stellt klar eine Ausnahme zur generellen Vergabekonkurrenzpflicht dar. Entsprechend verweist auch die Vergabeverordnung (VgV) auf die gemäß § 108 GWB geregelte Ausnahme. Ebenso sieht die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) entsprechende Ausnahmen bei sogenannten internen Vergaben unter Erfüllung der jeweiligen Voraussetzungen vor.

Allerdings gilt jeweils: Die Voraussetzungen des § 108 GWB müssen strikt erkannt und umgesetzt werden. Andernfalls läuft die öffentliche Vergabestelle Gefahr, gegen das Vergaberecht zu verstoßen und von Wettbewerbern im Wege des Rechtsschutzes vor der Vergabekammer belangt zu werden.

Risiken der In-House-Vergabe

Da die rechtlichen Rahmenbedingungen durch umfangreiche Anforderungen geprägt sind, bergen In-House-Vergaben auch gewisse rechtliche Risiken. Hierzu zählen insbesondere:

  • Fehleinschätzungen hinsichtlich Kontrolle über die juristische Person
  • Verfehlung der erforderlichen 80 %-Haupttätigkeit
  • unzulässige private Beteiligungen
  • nicht transparent ausgeübte Kontrolle

Ein Verstoß gegen § 108 GWB führt unmittelbar zu einem unzulässigen Verzicht auf ein erforderliches Vergabeverfahren – und somit zu einem schweren vergaberechtlichen Verstoß. Daher ist eine sorgfältige Prüfung, ob sämtliche Kriterien tatsächlich erfüllt sind und auch über einen längeren Zeitraum erfüllt bleiben, unerlässlich.

Fazit und Ausblick

Die In-House-Vergabe stellt ein wichtiges Instrument für öffentliche Auftraggeber dar, um interne Ressourcen effektiv und nach Maßgabe interner Notwendigkeiten zu nutzen. Aufgrund komplexer Vorgaben aus nationalem und europäischem Recht besteht hoher Beratungsbedarf bei der Strukturierung und Umsetzung betreffender Maßnahmen. Durch ein umfangreiches und sorgfältiges Compliance-Management und klare Dokumentation der Einhaltung der Vorgaben können öffentliche Auftraggeber das Risiko vergaberechtlicher Verstöße minimieren. Der konsequente Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des EuGH und die strikte Beachtung des § 108 GWB sind hierbei unerlässlich.