Einleitung
Im Vergabeverfahren kommt es häufig vor, dass der ursprüngliche Vertrag nach Zuschlagserteilung angepasst werden muss. Vertragsänderungen bieten einerseits notwendige Flexibilität, bergen andererseits aber auch Risiken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und Transparenz des Vergabeprozesses. Dieser Artikel analysiert umfassend, welche gesetzlichen Regelungen für Vertragsänderungen im deutschen Vergaberecht relevant sind und was Auftraggeber und Auftragnehmer bei Änderungen berücksichtigen müssen, um Rechtsverstöße zu vermeiden.
Rechtsrahmen der Vertragsänderungen
Vertragsänderungen nach Zuschlagserteilung fallen hauptsächlich unter die Regelungen der Vergabeverordnung (VgV § 132) und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB § 132). Daneben enthalten die Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO) und auch die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) spezielle Regelungen, die grundsätzlich dem gleichen Prinzip folgen.
Wesentliche Vertragsänderungen
Das Kernstück der Regulierung von Vertragsänderungen findet sich in § 132 GWB. Demnach sind wesentliche Vertragsänderungen grundsätzlich als Neuvergabe zu behandeln. Wesentliche Änderungen liegen insbesondere in folgenden Fällen vor:
- Die Änderung führt dazu, dass der Auftrag erheblich von dem ursprünglichen Auftrag abweicht.
- Mit der Änderung werden Bedingungen eingeführt, die anderen Bewerbern bei der ursprünglichen Ausschreibung eine Teilnahme ermöglicht, oder andere Zuschlagsergebnisse hätten herbeiführen können.
- Der wirtschaftliche Gleichgewichtspunkt wird eindeutig zu Gunsten des Auftragnehmers verschoben.
- Der ursprünglich ausgewählte Auftragnehmer wird ausgewechselt.
Unwesentliche Vertragsänderungen
Unwesentliche Vertragsänderungen hingegen sind zulässig, wenn sie nicht zu einer erheblichen Veränderung des Vertragsrahmens führen. Gemäß § 132 Absatz 4 GWB sind Änderungen dann nicht wesentlich, wenn:
- sie einen zuvor eindeutig definierten Wert in Höhe von 10 % (bei Liefer- und Dienstleistungen) bzw. 15 % (bei Bauaufträgen) des ursprünglichen Auftragswertes nicht überschreiten und unterhalb der EU-Schwellenwerte bleiben,
- die Änderungsvorstellungen bereits in eindeutigen, präzisen und bedingungsfreien Klauseln des ursprünglichen Vertrages zuvor enthalten waren, oder
- unvorhersehbare Umstände eintreten und die Änderungen keine Veränderung des Gesamtcharakters des Ausgangsauftrags bedeuten.
Praxisrelevante Beispiele für Vertragsänderungen
Nachträge bei Bauaufträgen
Insbesondere bei Bauleistungen erfolgt oft während der Ausführung eine Kostenänderung, beispielsweise infolge zusätzlicher Anforderungen oder unerwarteter Gegebenheiten vor Ort. § 22 VOB/A (Link zu § 22 VOB/A) gibt hierzu ebenfalls konkrete Vorgaben für nachträgliche Anpassungen. Wichtig bleibt stets, dass die Anpassungen den ursprünglichen Gesamtcharakter des Auftrages nicht verändern.
Preisgleitklauseln
In der Praxis werden oft Preisgleitklauseln vereinbart, die bestimmte Anpassungen an Marktveränderungen gewährleisten. Solche Klauseln müssen bereits im ursprünglichen Vertrag enthalten sein und hinreichend klar und eindeutig dargestellt werden. Anderenfalls könnte ihre nachträgliche Einführung eine wesentliche Vertragsänderung darstellen, die möglicherweise unzulässig ist.
Verfahren bei Vertragsänderungen
Dokumentationspflichten
Auftraggeber unterliegen gemäß § 8 VgV (§ 8 VgV) sowie § 20 UVgO (§ 20 UVgO) einer umfassenden Dokumentationspflicht. Bei wesentlichen Vertragsänderungen ist eine umfassende transparente Dokumentation und Rechtfertigung obligatorisch. Folgendes ist zu dokumentieren:
- Genaue Beschreibung und Gründe der Änderung;
- Angaben zum Umfang der Änderung;
- Feststellung, ob die Änderung wesentlich oder unwesentlich ist;
- Etwaige Auswirkungen auf den Wettbewerb und anderweitige Anbieter.
Informations- und Verfahrenspflichten
Nach den §§ 132 GWB und 132 VgV müssen wesentliche Änderungen zwingend veröffentlicht und gegebenenfalls als neue Ausschreibung durchgeführt werden. Nutzen Auftraggeber zulässige Ausnahmen von einer Neuvergabe, sind die Gründe hierfür akribisch zu dokumentieren.
Folgen unzulässiger Vertragsänderungen
Die Folgen unzulässiger Vertragsänderungen können erheblich sein. Insbesondere öffentliche Auftraggeber sehen sich möglichen Beschwerden vor Prüf- und Nachprüfungsstellen gegenüber. Verstöße können im Extremfall dazu führen, dass der Vertrag aufzuheben oder erneut auszuschreiben ist (vgl. §§ 134 und 135 GWB). Dies zieht erhebliche Zeitverzögerungen, schweren finanziellen Mehraufwand sowie politische und imagebezogene Folgeschäden nach sich.
Daher müssen Auftraggeber und Auftragnehmer achtsam und vorausschauend arbeiten sowie alle Änderungen den bestehenden Regelungen entsprechend prüfen.
Wichtige Praxisempfehlungen für Auftraggeber und Auftragnehmer
- Bereits beim Vertragsabschluss sollten Auftraggeber und Auftragnehmer klare und eindeutige Regelungen für mögliche künftige Änderungen festlegen.
- Auftraggeber sollten Änderungen möglichst frühzeitig identifizieren, einordnen und dokumentieren.
- Bei Zweifeln hinsichtlich der Wesentlichkeit sollte eine fundierte rechtliche Prüfung erfolgen. Hierzu kann es sich lohnen, eine externe Rechtsberatung hinzuzuziehen.
- Auftragnehmer sollten auf Transparenz bestehen, um spätere gerichtliche oder prüfungsrelevante Schwierigkeiten möglichst zu vermeiden.
- Preisgleitklauseln und Anpassungsvorbehalte sollten bereits im Ausgangsvertrag präzise formuliert und eindeutig definiert sein.
Fazit
Vertragsänderungen im Vergaberecht sind alltäglich, ihre Zulässigkeit hängt aber strikt davon ab, ob wesentliche Vertragsbestandteile betroffen sind. Wesentliche Änderungen ziehen Publikations- und Neuvergabepflichten nach sich, während unwesentliche Änderungen innerhalb gesetzlich festgelegter Grenzen problemlos vorgenommen werden können.
Um rechtliche Risiken zu vermeiden, sollten alle Änderungen sorgfältig geprüft, ordnungsgemäß dokumentiert und transparent umgesetzt werden. So können Auftraggeber und Vertragspartner sicherstellen, dass sich anfallende Anpassungen im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen und keine unnötigen juristischen oder wirtschaftlichen Folgen verursachen.