Sondervermögen Verteidigung & Infrastruktur

Einleitung

Im Zuge sicherheitspolitischer Entwicklungen und infrastruktureller Herausforderungen hat die Bundesregierung die Einrichtung eines sogenannten Sondervermögens für Verteidigung und Infrastruktur beschlossen. Dieses Finanzinstrument soll es ermöglichen, notwendige Investitionen in die Bundeswehr und in Infrastrukturmaßnahmen schneller und effizienter umzusetzen. Doch was genau versteht man unter diesem „Sondervermögen Verteidigung und Infrastruktur“, welche Ziele werden verfolgt und wie wirken sich die Maßnahmen auf das deutsche Vergaberecht aus? Dieser Artikel gibt einen detaillierten Überblick über die Hintergründe, den rechtlichen Rahmen und die praktischen Implikationen für Ausschreibungen und Beschaffungsvorhaben.

Rechtliche Grundlagen und Kontext des Sondervermögens

Im Juni 2022 beschloss der Deutsche Bundestag aufgrund der geopolitischen Entwicklungen das sogenannte „Sondervermögen Bundeswehr“, das mit insgesamt 100 Milliarden Euro ausgestattet ist. Im März 2025 wurde ein weiteres Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur im Wert von 500 Milliarden Euro aufgelegt. Dies wurde in Artikel 87a Grundgesetz verfassungsrechtlich verankert und soll ausschließlich der Stärkung der Streitkräfte bzw. der Infrastruktur dienen. Neben diesem Sondervermögen existieren weitere gezielte Maßnahmen für Infrastrukturinvestitionen, welche ebenfalls teilweise über gesonderte Mittel finanziert werden.

Der Begriff „Sondervermögen“ bezeichnet hier einen rechtlich und organisatorisch separaten Geldtopf des Bundeshaushalts. Er dient dazu, priorisierte Investitionen abseits der regulären Haushaltsführung und somit unabhängiger von der jährlichen Haushaltspolitik zu realisieren.

Ziele des Sondervermögens Verteidigung und Infrastruktur

Die Kernziele dieses Sondervermögens sind:

  • Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands und der Bundeswehr durch beschleunigte Investitionen.
  • Modernisierung und Ausbau militärischer Ausrüstung und Infrastruktur.
  • Verbesserung der Einsatzbereitschaft militärischer Einheiten.
  • Gezielter Abbau infrastruktureller Engpässe, beispielsweise bei Kasernen, Schulen, Krankenhäusern, Straßen oder Bahnprojekten.
  • Beschleunigung von Beschaffungsprozessen und Reduzierung bürokratischer Hürden.

Diese Zielsetzungen sollen es ermöglichen, dringende Investitionen kurzfristig durchführen zu können und langfristig zu gewährleisten, dass Deutschland strategisch handlungsfähig bleibt.

Auswirkungen des Sondervermögens auf das Vergaberecht

Die Einrichtung umfangreicher Sondervermögen stellt insbesondere das Vergaberecht vor neue Herausforderungen. Vor dem Hintergrund dieser speziellen Haushaltsmittel ergeben sich praktische Fragen und Anpassungsbedarf bei bestehenden Vergabeverfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§ 97 GWB), der Vergabeverordnung (§ 1 VgV), der Unterschwellenvergabeordnung (§ 1 UVgO) und der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (§ 1 VOB/A).

Anwendbarkeit der bestehenden Normen

Grundsätzlich bleiben die bestehenden Vorschriften sowie vergaberechtlichen Grundsätze (Transparenz, Gleichbehandlung, Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb) auch bei Maßnahmen aus dem Sondervermögen anwendbar. Allerdings sieht das Vergaberecht in besonderen Fällen gewisse Erleichterungen und Beschleunigungen vor.

Beispielsweise könnte für dringliche Vorhaben unter Umständen der Tatbestand der „besonderen Dringlichkeit“ gem. § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV in Betracht kommen, der beschränkte Ausschreibungen, Verhandlungsverfahren oder die Reduzierung von Fristen ermöglicht. Gleiches gilt für die Bauleistungen nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 VOB/A.

Vergaberechtliche Beschleunigungsmöglichkeiten

Beschleunigte Verfahren erlauben eine verkürzte Bewerbungs- und Angebotsfrist und sind damit insbesondere für dringende Beschaffungsvorhaben interessant:

  • Gemäß § 17 VgV kann die Frist zur Einreichung von Bewerbungen reduziert werden, wenn dringliche Gründe vorliegen.
  • Für Bauleistungen nach VOB/A können nach § 10a VOB/A kürzere Fristen vorgesehen werden.

Auch die Prüfung einer Anwendung von Dringlichkeitsausnahmen gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO kommt im Unterschwellenbereich in Betracht.

Herausforderungen für Auftraggeber und Bieter

Die erheblichen Finanzvolumina sowie der politische Wille zu schneller Umsetzung werden jedoch auch mit Herausforderungen verbunden sein:

  • Öffentliche Stellen stehen unter erhöhtem Druck, gleichzeitig höchste Effizienz, Wirtschaftlichkeit sowie Transparenz der Vergabe sicherzustellen.
  • Auftraggeber müssen die Schwelle zur Nutzung dieser beschleunigten Verfahren detailliert begründen und dokumentieren, um sich nicht angreifbar gegenüber Nachprüfungsverfahren zu machen.
  • Für Bieter ergeben sich Chancen bei der Vergabe im Zusammenhang mit den erhöhten Mitteln, jedoch auch Herausforderungen hinsichtlich verkürzter Fristen zur Einreichung aussagekräftiger Angebote.

Praxisfolgen und Handlungsempfehlungen

Um das Potenzial der Sondervermögen vollumfänglich auszuschöpfen, sollten Auftraggeber folgende Aspekte beachten:

  • Intensive Vorbereitung des Vergabeprozesses zur möglichst wirksamen Nutzung bestehender vergaberechtlicher Beschleunigungsmöglichkeiten.
  • Sicherstellung der ordnungsgemäßen Dokumentation und Begründung aller getroffenen Entscheidungen.
  • Stärkere Einbindung der Beratungsstellen für öffentliche Auftraggeber, z.B. Kompetenzstellen oder Vergabestellen der Länder, um rechtskonforme und effiziente Verfahren zu gewährleisten.

Bieter sollten sich auf die Regelungen der kurzfristigen Beschaffung einstellen und Ressourcen schaffen, um auf Verkürzungen von Angebotsfristen effektiv reagieren zu können. Insbesondere für KMU empfiehlt sich eine frühzeitige Informationsbeschaffung und Vorbereitung.

Fazit und Ausblick

Mit den Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur stehen erhebliche finanzielle Mittel bereit, um dringende Maßnahmen schnell und effektiv umzusetzen. Obwohl sich die grundlegenden Prinzipien des Vergaberechts nicht ändern, eröffnen sich durch Dringlichkeitsgründe zeitweilige Anpassungsmöglichkeiten in der Gestaltung von Vergabeverfahren.

Wichtig bleiben dabei die Einhaltung der Vergabegrundsätze und eine durchgehend transparente Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen. Diese Herausforderungen müssen sowohl öffentliche Auftraggeber als auch Unternehmen meistern, um nachhaltig von den Investitionen profitieren zu können.

Voraussichtlich wird durch das Sondervermögen die Vergabepraxis in Deutschland maßgeblich geprägt werden, wobei die Erfahrungen aus diesen stabilisierungspolitischen Maßnahmen perspektivisch auch zukünftige Veränderungen des Vergaberechts beeinflussen könnten.