Soziale Kriterien

Einführung in die sozialen Kriterien im Vergaberecht

Das Vergaberecht dient primär dazu, den wirtschaftlichen Einkauf von Leistungen durch öffentliche Auftraggeber zu gewährleisten, verfolgt jedoch seit einigen Jahren verstärkt die Umsetzung sozialer Ziele. Soziale Kriterien gewinnen vor allem in Zeiten nachhaltiger und verantwortungsvoller Wirtschaftspolitik zunehmend an Bedeutung und tragen dazu bei, faire Arbeitsbedingungen, Integration sowie die Gleichbehandlung unterschiedlicher Personengruppen zu fördern.

In Deutschland existieren klare rechtliche Rahmenbedingungen, durch welche die sozialen Aspekte in Vergabeverfahren geregelt sind. Diese Regelungen sind primär im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV), der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) sowie der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) verankert.

Rechtsgrundlagen der sozialen Kriterien

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)

Das GWB bildet die maßgebliche Grundlage für alle Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte. Insbesondere ist hier § 97 Abs. 3 GWB zu nennen, wonach bei der Durchführung öffentlicher Aufträge auch soziale Aspekte berücksichtigt werden können, soweit sie im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union stehen (§ 97 Abs. 3 GWB). Damit räumt das GWB öffentlichen Auftraggebern konkrete Möglichkeiten ein, soziale Aspekte aktiv in die Vergabeentscheidung einzubeziehen.

Vergabeverordnung (VgV)

Gemäß der VgV haben Auftraggeber ausdrücklich die Möglichkeit, soziale Kriterien als Zuschlagskriterien oder Bedingungen für die Auftragsausführung festzulegen. Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist § 31 VgV, der besagt, dass öffentliche Auftraggeber besondere Bedingungen für die Auftragsdurchführung in sozialer Hinsicht setzen dürfen, sofern diese Bedingungen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen klar definiert wurden.

Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)

Im unterschwelligen Bereich unterhalb der maßgeblichen EU-Schwellenwerte wird die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen durch die UVgO geregelt. Gemäß § 2 Abs. 3 UVgO besteht die Möglichkeit, bei Auftragsvergaben soziale Kriterien zu berücksichtigen, wenn diese sachlich gerechtfertigt und geeignet sind, den Vergabezielen Rechnung zu tragen.

Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A)

Ebenso wie UVgO und VgV räumt auch die VOB/A bei Bauvergaben sozialen Aspekten eine besondere Bedeutung bei der Auftragserteilung ein. Laut § 3a Abs. 2 Satz 3 VOB/A können soziale Kriterien ausdrücklich berücksichtigt werden, wenn sie im direkten Zusammenhang zum Auftragsgegenstand stehen und rechtzeitig bekanntgegeben wurden.

Arten sozialer Kriterien

Soziale Kriterien im Vergaberecht sind vielfältig und umfassen insbesondere die folgenden Bereiche:

  • Einhaltung von Tariflöhnen und Mindestlöhnen in der Lieferkette sowie bei Subunternehmern
  • Maßnahmen zur Gleichbehandlung und nicht-Diskriminierung im Betrieb des Auftragnehmers
  • Förderung von Integration behinderter oder älterer Menschen
  • Förderung von geschlechtergerechter Arbeitsplatzgestaltung (Gender Mainstreaming)
  • Maßnahmen zur beruflichen Integration von Langzeitarbeitslosen, Jugendlichen und Migranten
  • Sicherstellung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen im Bereich Produktion und Dienstleistung

Integration sozialer Kriterien in Vergabeverfahren

In der Praxis gibt es verschiedene Möglichkeiten, soziale Kriterien konkret in die eigenen Vergabeunterlagen aufzunehmen:

Eignungskriterien

Öffentliche Auftraggeber können beispielsweise schon bei der Festlegung der Eignungsanforderungen, etwa bei der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit gemäß § 46 VgV, soziale Kriterien anlegen – beispielsweise dass der Bewerber nachweislich schon Erfahrung mit sozialen Projekten oder entsprechender Beschäftigungspolitik besitzt.

Zuschlagskriterien

Soziale Kriterien können eigenständig oder zusammen mit wirtschaftlichen Kriterien als Bestandteil der Bewertungsmatrix bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden (§ 58 VgV). Dabei müssen soziale Kriterien transparent und nachvollziehbar gewichtet und kommuniziert werden.

Besondere Bedingungen für die Auftragsausführung

Gemäß § 128 Abs. 2 GWB in Verbindung mit § 31 VgV kann ein öffentlicher Auftraggeber konkrete Sozialstandards als verbindliche Vorgaben zur Ausführung des Auftraggebers setzen, etwa die Beschäftigung eines bestimmten Anteils zusätzlicher Ausbildungsplätze oder Einhaltung internationaler Sozialstandards.

Rechtsprechung und Herausforderungen

Die Berücksichtigung sozialer Kriterien im Vergaberecht stellt öffentliche Auftraggeber regelmäßig vor rechtliche Herausforderungen. Insbesondere sind folgende Aspekte zu beachten:

  • Die klaren Grenzen bezüglich des unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Auftragsgegenstand
  • Einhaltung des Diskriminierungsverbots und Neutralitätsgebotes
  • Sicherstellung, dass Kriterien angemessen, transparent, objektiv messbar und kontrollierbar sind

Die Vergabekammern und Oberlandesgerichte haben in zahlreichen Entscheidungen klar gemacht, dass soziale Kriterien durchaus zulässig sind, solange sie klar definiert und unmittelbar auftragsbezogen sind sowie transparent kommuniziert werden.

Bedeutung für öffentliche Auftraggeber und Bieter

Öffentliche Auftraggeber stehen zunehmend in der gesellschaftlichen Verantwortung, Auftragsvergaben an gesellschaftliche Anforderungen anzupassen und ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden. Soziale Kriterien als Instrument der nachhaltigen Ausschreibungen führen zu einer erhöhten Akzeptanz und tragen zur positiven Wahrnehmung der jeweiligen Einrichtung bei.

Für Bieter bedeuten soziale Kriterien in Vergabeverfahren einerseits zusätzliche Anforderungen, andererseits aber auch die Möglichkeit, sich durch nachhaltige Praktiken von der Konkurrenz abzuheben. Um Ausschreibungen erfolgreich für sich entscheiden zu können, müssen Bieter genaue Kenntnisse über soziale Standards vorweisen und dementsprechend auf Nachweise bzw. Zertifizierungen achten.

Fazit

Die Einbeziehung sozialer Kriterien spielt eine immer wichtigere Rolle im deutschen Vergaberecht und eröffnet öffentlichen Auftraggebern neue Möglichkeiten, gesellschaftliche Verantwortung in die Auftragsvergabe einzubeziehen. Rechtsgrundlagen in GWB, VgV, UVgO und VOB/A ermöglichen eine breite Palette sozialer Maßnahmen.

Öffentliche Auftraggeber sollten jedoch stets beachten, dass die Festlegung sozialer Kriterien transparent, objektiv belegbar und im Einklang mit allen relevanten vergaberechtlichen Grund-prinzipien umgesetzt werden muss, um rechtliche Angriffspunkte zu minimieren. Bieter sollten auf diese Entwicklung vorbereitet sein und entsprechend klar definierte Sozialstandards nachweislich erfüllen können, um ihre Chancen bei sozial geprägten Vergabeverfahren zu erhöhen.