Umweltaspekte

Einführung

Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekte gewinnen im öffentlichen Vergabeverfahren zunehmend an Bedeutung. Die Integration ökologischer Belange in das Vergaberecht bietet öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, nachhaltige Aufträge zu fördern und umweltfreundliche Standards durchzusetzen. Dabei ergibt sich eine gewisse Komplexität daraus, einerseits die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze und andererseits die ökologischen Anforderungen miteinander in Einklang zu bringen. Der vorliegende Artikel gibt eine umfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen des deutschen Vergaberechts hinsichtlich Umweltaspekten und gibt praktische Hinweise für die Umsetzung.

Rechtliche Grundlagen im Überblick

Die Integration von Umweltaspekten im öffentlichen Beschaffungswesen fußt auf verschiedenen gesetzlichen Grundlagen und Vorschriften. Insbesondere die vergaberechtlichen Vorschriften wie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV), die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) sowie die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) enthalten relevante Regelungen:

  • Das GWB §97 formuliert Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Gleichbehandlung und umfasst explizit auch die Möglichkeit, ökologische Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen.
  • Die VgV §58 ermöglicht ausdrücklich die Berücksichtigung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten bei der Festlegung der Zuschlagskriterien.
  • Die UVgO §2 bestimmt, dass neben Wirtschaftlichkeit auch innovative, soziale und ökologische Aspekte beachtet werden können.
  • Gemäß VOB/A §16d dürfen Umweltmerkmale als Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, wenn diese mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen und explizit angegeben wurden.

Zudem ergeben sich relevante Umweltschutzanforderungen aus europarechtlichen Vorgaben, insbesondere aus den europäischen Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe (Richtlinien 2014/23/EU, 2014/24/EU und 2014/25/EU), welche explizit Umweltaspekte bei Beschaffungen fördern.

Umweltaspekte als Bestandteil der Leistungsbeschreibung

Die Leistungsbeschreibung ist ein zentraler Bestandteil jedes Vergabeverfahrens. Nach der VgV §31 sowie der UVgO §23 dürfen öffentliche Auftraggeber Umweltmerkmale in die Leistungsbeschreibung integrieren, soweit sie unmittelbaren Bezug zum Auftragsgegenstand haben und verhältnismäßig und diskriminierungsfrei formuliert sind. Eine klare, transparente Beschreibung dieser Merkmale gewährleistet einen fairen Wettbewerb und ermöglicht Bietern, gezielt auf die Anforderungen einzugehen.

Typische Umweltaspekte in der Leistungsbeschreibung können beispielsweise umfassen:

  • Energieeffizienzklassen und Energieverbrauchswerte
  • Höchstwerte für Schadstoff- oder Geräuschemissionen
  • Verwendung nachhaltig erzeugter Rohstoffe oder recyclingfähiger Materialien
  • Anforderungen an Verpackung, Transport und Entsorgung der Produkte
  • Einhaltung bestimmter Umweltzeichen und Zertifizierungen

Dabei ist zu beachten, dass Umweltzeichen oder Zertifizierungen nicht selbst zwingend verlangt werden dürfen, aber die dahinterstehenden Kriterien aufgenommen werden können, sofern sie eindeutig und nicht diskriminierend formuliert sind (VgV §34).

Berücksichtigung von Umweltaspekten als Zuschlagskriterien

Eine zweite wichtige Möglichkeit, Umweltaspekte in das Vergabeverfahren zu integrieren, besteht darin, ökologische Kriterien bei den Zuschlagskriterien zu berücksichtigen (VgV §58, UVgO §43). Um rechtssicher und transparent zu sein, müssen Umweltaspekte hierbei folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Explizite Benennung in den Vergabeunterlagen
  • Ausschließliche Relevanz und Bezug auf die Leistungserbringung
  • Angemessene Gewichtung im Verhältnis zu anderen Kriterien wie Preis oder Qualität

Beispiele für umweltbezogene Zuschlagskriterien sind:

  • Lebenszykluskosten der Produkte („Total Cost of Ownership“)
  • CO2-Fußabdruck während der Herstellung oder Nutzung
  • Dauerhaftigkeit und Wartungsfreundlichkeit der Produkte

Dabei sollten Auftraggeber stets klar definieren, wie eine Bewertung hinsichtlich der Umweltaspekte erfolgt und welche Unterlagen oder Nachweise die Bieter hierzu vorlegen müssen (z.B. technische Datenblätter, Ökobilanzen oder Produktinformationen des Herstellers).

Umweltaspekte in Eignungskriterien und Ausschlussgründen

Auch im Rahmen der Eignungsprüfung können Umweltaspekte eine Rolle spielen. Unter VgV §45 ist vorgesehen, dass Unternehmer nachweisen müssen, dass sie über ausreichende technische Mittel, Erfahrung und ggf. Umweltmanagementsysteme (z.B. EMAS oder ISO 14001) verfügen. Dabei kann die Vorlage bestimmter Zertifikate vom Auftraggeber verlangt werden, allerdings nur, wenn diese sachdienlich und verhältnismäßig sind.

Zudem können auch umweltbezogene Ausschlussgründe relevant sein, etwa, wenn gravierende Verstöße gegen umweltrechtliche Vorschriften nachweisbar sind (vgl. GWB §124).

Praktische Herausforderungen und Empfehlungen

Die Integration umweltrechtlicher Vorgaben stellt Auftraggeber oft vor praktische Herausforderungen:

  • Rechtssicherheit und Transparenz gewährleisten, um Verstöße gegen das Diskriminierungs- und Wettbewerbsprinzip zu vermeiden
  • Auswahl geeigneter Umweltaspekte und Kriterien, die möglichst objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sind
  • Bewertung der umweltbezogenen Angebote anhand schlanker, angemessener Bewertungsmethoden

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, können folgende Empfehlungen ausgesprochen werden:

  • Erarbeitung klarer und objektiver Kriterien mit Bezug zum konkreten Auftragsgegenstand
  • Orientierung an etablierten Standards und Kriterienkatalogen (z.B. Umweltzeichen der Blauen Engel, EU-Ecolabel etc.)
  • Schulung und Weiterbildung von Personal im Umgang mit umweltbezogenen Vergabeaspekten
  • Bei komplexen Verfahren professionelle Begleitung und Beratung durch spezialisierte Dienstleister oder Rechtsberater

Fazit

Die Berücksichtigung von Umweltaspekten im Vergabeverfahren stellt öffentliche Auftraggeber – abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung – zugleich vor eine gesellschaftspolitische Chance, nachhaltigeres Wirtschaften aktiv voranzutreiben und Umwelt- und Klimaschutzziele praktisch zu unterstützen. Während die rechtssichere Implementierung ökologischer Kriterien sorgfältiges Vorgehen erfordert, bieten die bestehenden Rechtsvorschriften ausreichend Möglichkeiten, dem Nachhaltigkeitsgedanken Raum zu verschaffen und einen wichtigen Beitrag hin zu einer nachhaltigeren öffentlichen Verwaltung zu leisten.