§ 55 LHO NRW (Auszug)
Öffentliche Ausschreibung
(1)

Dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muss eine Öffentliche Ausschreibung oder eine Beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Teilnahmewettbewerb ist ein Verfahren, bei dem der öffentliche Auftraggeber nach vorheriger öffentlicher Aufforderung zur Teilnahme eine beschränkte Anzahl von geeigneten Unternehmen nach objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien auswählt und zur Abgabe von Angeboten auffordert.

(2)

Beim Abschluss von Verträgen ist nach einheitlichen Richtlinien zu verfahren.

zu § 55 LHO NRW (Auszug)
Zu § 55

1 Vergabe öffentlicher Aufträge ab Erreichen der EU-Schwellenwerte


Die Vergabe öffentlicher Aufträge von öffentlichen Auftraggebern nach § 99 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750), das zuletzt durch Artikel 10 Absatz 9 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, deren geschätzter Auftragswert ohne Umsatzsteuer die durch § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Bezug genommenen EU-Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, richten sich nach Teil 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.


2 Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte


Die Vergabe öffentlicher Aufträge, die nicht den Vorschriften des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterfallen, von Auftraggebern, die zur Beachtung der LHO NRW verpflichtet sind, richtet sich nach der Unterschwellenvergabeordnung vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1) sowie der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1 in der Fassung 2019 vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2).


2.1
Europarechtliche Grundsätze


Auch unterhalb der EU-Schwellenwerte sind vom Auftraggeber die europäischen Grundprinzipien der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz zu beachten.


Die Auftragsvergabe muss im Einklang mit den Vorschriften und Grundsätzen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfolgen. Es gelten folgende Grundsätze:


a) diskriminierungsfreie Beschreibung des Auftragsgegenstandes,
b) gleicher Zugang für Wirtschaftsteilnehmer aus allen Mitgliedstaaten,
c) gegenseitige Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen,
d) angemessene Fristen und
e) transparente und objektive Verfahrensdurchführung.


2.2
Wertgrenzen


2.2.1
Beschränkte Ausschreibung


Wird vor einer Beschränkten Ausschreibung nach § 3a Absatz 2 Nummer 1 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1 ein
Teilnahmewettbewerb durchgeführt, verdoppeln sich die dort genannten Wertgrenzen.


Beschränkte Ausschreibungen von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nach § 8 Absatz 3 Nummer 2 Unterschwellenvergabeordnung sind bis zu einem Auftragswert von 50 000 Euro ohne Umsatzsteuer ohne Durchführung eines Teilnahmewettbewerbes zulässig.


2.2.2
Verhandlungsvergabe oder Freihändige Vergabe


Eine Verhandlungsvergabe nach § 8 Absatz 4 Unterschwellenvergabeordnung oder eine Freihändige Vergabe nach § 3a Absatz 4 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1 sind ohne weitere Begründung bei Aufträgen bis zu einem Wert von 25 000 Euro ohne Umsatzsteuer zulässig.


2.2.3
Direktauftrag


Für Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge muss bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 3 000 Euro ohne Umsatzsteuer kein Vergabeverfahren durchgeführt werden. Es kann auf allgemein, zum Beispiel im Internet, zugängliche Angebote zurückgegriffen werden. Für die Bedarfsfeststellung und die Beschaffungsentscheidung gelten die haushaltsrechtlichen Bestimmungen. Zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit des Direktauftrags besteht gemäß § 7 eine Mindestdokumentationspflicht, das heißt, dass zumindest die Ermittlung von Vergleichspreisen zu erfassen ist (formlose Preisermittlung). Ist dies nicht möglich oder unzweckmäßig, ist die Wirtschaftlichkeit der Beschaffungsmaßnahme in anderer geeigneter Weise darzulegen.


2.3
Ausnahmen


Auch bei den in § 1 Absatz 2 Unterschwellenvergabeordnung genannten Ausnahmen ist die Wirtschaftlichkeit der Maßnahme zu dokumentieren.


2.4
Schätzung der Auftragswerte


Bei der Schätzung der Auftragswerte für Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb nach § 8 Absatz 3 Nummer 2 Unterschwellenvergabeordnung oder § 3a Absatz 2 Nummer 1 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1, Verhandlungsvergaben nach § 8 Absatz 4 Unterschwellenvergabeordnung und Freihändigen Vergaben nach § 3a Absatz 4 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1 ist § 3 der Vergabeverordnung vom 12. April 2016 (BGBl. I S. 624), die durch Artikel 8 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist, entsprechend anzuwenden. Hierbei ist grundsätzlich von der geschätzten Gesamtvergütung für die vorgesehene Leistung auszugehen.


Leistungen, die im Hinblick auf ihre technische und wirtschaftliche Funktion einen einheitlichen Charakter aufweisen, sind zusammenzufassen (funktionale Betrachtungsweise). Hierbei sind organisatorische, inhaltliche, wirtschaftliche sowie technische Zusammenhänge zu berücksichtigen.


2.5
Teilnehmer am Verfahren


Bei der Beschränkten Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb sind im Allgemeinen mindestens fünf geeignete Unternehmen, bei der Verhandlungsvergabe oder Freihändigen Vergabe mindestens drei geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern. Es sind regelmäßig auch kleine und mittlere Unternehmen in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern


2.6
Eignungsnachweise und Präqualifikation


2.6.1
Der Nachweis der Eignung für Bauleistungen kann mit der vom Auftraggeber direkt abrufbaren Eintragung in die allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e.V. (Präqualifikationsverzeichnis) erfolgen. Unternehmen, die im amtlichen Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen (AVPQ) unter www.amtliches-verzeichnis.ihk.de registriert sind, gelten hinsichtlich der erfassten Kriterien auch in Bauverfahren als geeignet.


Abweichend von § 6b Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1 können öffentliche Auftraggeber bei Bauaufträgen bis zu einem Auftragswert von 25 000 Euro ohne Umsatzsteuer auf die Eintragung der Bieter in das Präqualifizierungsverzeichnis und auf Bescheinigungen zur Bestätigung von Eigenerklärungen verzichten, wenn keine Zweifel an deren Richtigkeit und der Eignung des Unternehmens bestehen.


2.6.2
Das Zertifikat über die Eintragung in das amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen gilt zum grundsätzlichen Nachweis der Eignung des Bewerbers oder Bieters und des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen unabhängig von einem konkreten Einzelauftrag. Unternehmen, die entsprechend § 6a Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A, Abschnitt 1 registriert sind, gelten hinsichtlich der erfassten Kriterien auch in Verfahren nach der Unterschwellenvergabeordnung als geeignet.


3 Elektronische Vergabe
Für Veröffentlichungen im Vergabeverfahren, zur Bereitstellung von Vergabeunterlagen, zur Kommunikation im Vergabeverfahren und zur Einholung
elektronischer Teilnahmeanträge und Angebote sowie gegebenenfalls elektronischer Interessensbestätigungen und Interessensbekundungen ist der
Vergabemarktplatz des Landes NRW unter www.evergabe.nrw.de zu nutzen.


Unterhalb des EU-Schwellenwertes können Verhandlungsvergaben oder Freihändige Vergaben bis zu einem Auftragswert von 25 000 Euro ohne Umsatzsteuer sowie in den Fällen des § 12 Absatz 3 Unterschwellenvergabeordnung per E-Mail abgewickelt werden. In diesen Fällen kommen § 7 Absatz 4 und die §§ 39, 40 Absatz 1 Unterschwellenvergabeordnung sowie die §§ 11 a und 14 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A nicht zur Anwendung.


4 Vertragsordnungen
Die Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen Teil B vom 5. August 2003 (BAnz Nr. 178a vom 23. September 2003) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B – Allgemeine Vertragsbedingungen - vom 31. Juli 2009 (BAnz. Nr. 155a vom 15. Oktober 2009, BAnz. 2010, S. 940) geändert durch Bekanntmachung vom 26. Juni 2012 (BAnz AT 13.07.2012 B3) zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 7. Januar 2016 (BAnz AT 19.01.2016 B3) und Teil C in der Fassung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) herausgegeben als DIN-Normen Ausgabe September 2016 sind zu beachten.


5 Beteiligung des Beauftragten für den Haushalt
Die oder der Beauftragte für den Haushalt gemäß § 9 ist grundsätzlich bei Aufträgen mit einem Wert von mehr als 50 000 Euro ohne Umsatzsteuer sowie bei Abweichungen von den Beschaffungsgrundsätzen zu beteiligen.


6 Vergabehandbuch
Für Vergabeverfahren nach der Vergabeverordnung bzw. Unterschwellenvergabeordnung sind die Vorgaben des „Vergabehandbuches des
Landes Nordrhein-Westfalen für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen“, Runderlass des Ministeriums der Finanzen vom 11. Mai
2018 (MBl. NRW. S. 342), anzuwenden.


Für die Vergabe von Bauleistungen im Rahmen von Baumaßnahmen des Bundes sind die Vergabehandbücher des Bundes für Vergaben nach der Vergabe- und
Vertragsordnung für Bauleistungen anzuwenden.


Die Vergabehandbücher des Bundes bieten für die übrigen Baumaßnahmen im Land Nordrhein-Westfalen verwaltungsinterne Arbeitsgrundlagen.
Landesspezifika, Verwaltungsaufbau und Organisation der öffentlichen Auftraggeber im Land Nordrhein-Westfalen sowie Besonderheiten des Beschaffungsbedarfes können die Verwendung von abweichenden individuellen Regelungen rechtfertigen.


7 Ergänzende Vertragsbedingungen
Für den Bereich der Informationstechnik sind die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik (EVB-IT) in
der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Soweit die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von Informationstechnik Regelungsbereiche der bislang geltenden Besonderen Vertragsbedingungen (BVBIT) nicht abdecken, sind letztere weiterhin anzuwenden.


8 Sonstige Regelungen
Andere landesrechtliche Regelungen bleiben unberührt.


9 Zusammenarbeit zwischen den Ministerien
Allgemeine Richtlinien und Hinweise zur Anwendung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Vergabeverordnung, der Unterschwellenvergabeordnung und der VOB sowie zur Ausgestaltung der Vertragsbedingungen bei der Vergabe von Lieferungen und Leistungen sind
möglichst vor ihrem Erlass von den zuständigen Ministerien untereinander abzustimmen und soweit wie möglich zu vereinheitlichen.

Quelle:
Titel Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung NRW (VV-LHO NRW)
Runderlass des Ministeriums der Finanzen I C 2 – 0125 – 5.1 vom 06. Juni 2022